So schrieb ein:e Studierende:r in die Befragung.
Warum du KI trotzdem nicht nutzen musst, aber solltest und wie du ihr in deinem Tempo begegnest
Teaser
Ich verstehe den Wunsch: „Bitte, lasst den KI-Hype vorbeiziehen.“ Ehrlich gesagt: Er wird wohl so schnell nicht enden. Wir stehen eher am Anfang einer Welle – und ich hoffe ohne Crash wie nach der Dot-Com-Blase. Wichtig ist mir: Du musst KI nicht nutzen, um gut zu studieren, zu denken und zu schreiben. Du darfst dich bewusst entscheiden – und trotzdem informiert bleiben. In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du Nein, Vielleicht oder Ja, aber kontrolliert sagen kannst – und wie du deine Entscheidung selbstbewusst nach außen vertrittst.
Hinführung: Hype ≠ Zwang
KI ist eine Basistechnologie wie einst der Buchdruck oder später das Internet. Das bedeutet: Sie prägt unseren Alltag – ohne dass jede:r sie ständig aktiv nutzen muss. Zwei Dinge können gleichzeitig wahr sein:
- Die Welle läuft weiter. Forschung, Produkte und Jobs verändern sich.
- Du behältst die Wahl. Niemand kann dir Denken, Stil und Urteil abnehmen. Dein Studium bleibt ein Ort, an dem du deine Stimme ausbildest.
Erstes Prinzip: Du musst KI nicht nutzen
Wenn dich KI sprachlich „glatt, aber seelenlos“ zurücklässt: Es ist legitim, Abstand zu halten. Drei Mindest-Kompetenzen reichen für viele Kontexte völlig aus – auch ohne eigene Tool-Nutzung:
- KI-Lese-Kompetenz: Du verstehst Grundbegriffe (Halluzination, Trainingsdaten, Bias), erkennst Grenzen und kannst Resultate Dritter kritisch prüfen.
- KI-Diskurs-Kompetenz: Du kannst erklären, warum du KI meidest (z. B. Stil, Lernziele, Datenschutz) – ohne anti-technisch zu wirken.
- KI-Ethik-Kompetenz: Du kennst die typischen Risiken (Vertraulichkeit, Urheberrecht, Fairness) und handelst verantwortungsvoll.
Bewerbungstauglich formuliert:
„Ich setze derzeit keine generativen KI-Tools in der Texterstellung ein, weil mir eigene Stimme und Nachvollziehbarkeit wichtig sind. Ich bringe jedoch KI-Lese- und Diskurskompetenz mit: Ich kann Ergebnisse prüfen, Risiken benennen und sinnvolle Einsatzfelder beurteilen.“
Zweites Prinzip: Du darfst KI im eigenen Tempo testen
Wenn du vielleicht offen bist, probiere eine Behutsamkeits-Leiter – jede Stufe ist ein legitimes Ziel:
- Beobachten statt benutzen: Lies Beispiele, höre Erfahrungsberichte. Keine Accounts, kein Upload.
- Offline-Simulation: Formuliere Fragen an eine hypothetische KI – beantworte sie selbst. Das schärft Prompting als Denktechnik, ohne ein Tool zu öffnen.
- Low-Risk-Test: Nutze eine abgesicherte Umgebung (z. B. Campus-/Enterprise-Lizenz) für nicht-sensible Aufgaben: Gliederungsalternativen, Synonyme, Lernfragen.
- Sparring statt Ghostwriting: Schreibe zuerst selbst; bitte dann um Gegenargumente, Beispiele oder Lückenhinweise.
- Revisions-Modus: Lass dir nur Prüffragen und Checklisten geben – keine fertigen Absätze.
Drittes Prinzip: Wenn du Ja, aber kontrolliert sagst
Dann gilt mein Sparringpartner-Protokoll:
- Ich bleibe die Autorin/der Autor. KI ist Resonanzraum, nicht Stimmgabel.
- Ich teile spärlich. Keine personenbezogenen oder vertraulichen Daten; Auszüge statt Volltexte.
- Ich dokumentiere kurz. Tool, Datum/Version, Zweck – das schafft Transparenz.
- Ich prüfe Quellen. Fakten belege ich mit Primärliteratur, nicht mit KI-Antworten.
- Ich entkopple Stil und Inhalt. KI darf auf Ideen zielen, nicht auf meinen Stil.
„KI schreibt gut, aber nicht schön“ – so bleibt deine Stimme hörbar
- Erst Rohtext, dann Resonanz: Schreibe 10–15 Minuten frei, dann höchstens Rückfragen der KI.
- Verbiete Stil-Verschmelzung: „Gib mir nur Gegenargumente/Beispielquellen – keine Umformulierungen.“
- Stil-Garantie: Halte ein kleines Stil-Manifest (3–5 Regeln), z. B.: kurze Sätze, aktive Verben, anschauliche Beispiele, keine Floskeln.
- Lernanker: Notiere was du verstanden hast – nicht was die KI formuliert hat.
Risiko–Nutzen bewusst abwägen (mein Dreieck)
- Nutzen: Tempo, Struktur, Ideensprung, Fehlersuche.
- Gefahr: Inhaltsfehler/Halluzinationen, Stil-Verebnung, Abhängigkeit, Datenabfluss.
- Sicherheit: Wenig Daten, geschützte Umgebungen, Offenlegung, konsequente Gegenprüfung.
Deine Entscheidung ist gut, wenn sie zu deinen Lernzielen passt und du sie begründen kannst.
Bachelorarbeit: Wenn’s „ernst“ wird
Auch hier gilt: Du musst KI nicht nutzen. Wenn doch, dann so, dass deine Eigenleistung sichtbar bleibt:
- Didaktik zuerst: Frag dich, welche Kompetenz die Arbeit prüft (Argumentation, Methode, Theorieanwendung). Alles, was diese Kompetenz ersetzt, ist kontraproduktiv.
- Transparenz: Kurzer Abschnitt „Einsatz von KI“ (Tool, Datum/Version, Zweck). Übernommene, nicht abrufbare KI-Passagen sind persönliche Kommunikation und gehören nicht ins Literaturverzeichnis; abrufbare Outputs kannst du normal referenzieren (APA).
- Qualität: Zitate, Zahlen, Quellen immer im Original prüfen – KI ist kein Beleg.
- Siehe auch folgende Artikel in diesem Blog
Zehn Leitregeln für einen souveränen Umgang – auch wenn du überwiegend „Nein“ sagst
- Dein Tempo zählt – nicht das Tempo des Hypes.
- Ziel klären: Lernen, verstehen, denken schlägt abgeben, beschleunigen, glätten.
- Daten knapp halten – lieber Paraphrasen/Skizzen als Volltexte.
- Kein Ghostwriting – KI liefert Fragen, Beispiele, Gegenargumente; die Stimme gehört dir.
- APA-sauber – KI-Texte nie als Quelle „an sich“; immer Primärquellen prüfen und korrekt zitieren.
- Transparenz kurz & klar – Tool/Datum/Zweck notieren.
- Fehler erwarten – Halluzinationen sind normal; prüfe systematisch.
- Stil schützen – formuliere zuerst selbst, lasse höchstens Hinweise geben.
- Grenzen anerkennen – sensible Daten bleiben draußen; im Zweifel: Lehrperson fragen.
- Neugierig bleiben – auch ohne Nutzung informiert sein (KI-Lese-Kompetenz).
Forschungstagebuch (Auszug)
- Oktober 2025: „Ich will KI nicht nutzen – Punkt.“ Auffällig: Der Druck entsteht weniger aus Prüfungen, mehr aus sozialem Vergleich („Alle machen’s“).
- Meine Antwort: Eigenes Tempo + informierte Entscheidung. Wer seine Gründe klar benennen kann, wirkt nicht altmodisch, sondern souverän.
- Unsere Seminarreihe hilft
Leitfragen
- Welche Lernziele verfolge ich – und hilft mir KI dabei wirklich?
- Wo droht KI, meine Stimme zu glätten oder mein Denken zu ersetzen?
- Wie formuliere ich meine Entscheidung (Nein/Vielleicht/Ja) selbstbewusst im Seminar oder Bewerbungsprozess?
Literatur – weiterführend
- [How to cite ChatGPT] (APA Style Blog). (apastyle.apa.org)
- [Privacy in Context: Technology, Policy, and the Integrity of Social Life] (Stanford University Press). (Stanford University Press)
- [Diffusion of Innovations, 5th Edition] (Official Publisher Page, Simon & Schuster/Free Press). (Simon & Schuster)
- [New AI Literacy Framework to Equip Youth in an Age of AI] (OECD Edutoday – Überblick zum OECD/EC-Vorhaben „AI Literacy“). (oecdedutoday.com)
- [Blickpunkt – Leitlinien zum Umgang mit generativer KI] (Hochschulforum Digitalisierung, PDF). (Hochschulforum Digitalisierung)
- AI-Literacy-Startseite des gemeinsamen OECD/EC-Frameworks [Home | AILit Framework]. (ailiteracyframework.org)


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